Auf der Hablinsel Snæfellsnes in Island wird die Leiche einer Architektin am Strand entdeckt. Die Frau wurde vergewaltigt, übel zugerichtet und Nadeln wurden in ihre Fußsohlen gesteckt. Dóra Gudmundsdóttir ist zufällig vor Ort und kommt einem Geheimnis auf die Spur.
Dóra wird von einem Mandanten übers Wochenende in sein Hotel eingeladen, um eine mögliche Klage zu besprechen. In der bereits angespannten Atmosphäre geschieht ein Mord und Dóra steckt mittendrin.
Mordopfer ist die junge Architektin, die am Hotel weitere Anbauten vornehmen sollte. Warum wurde die Frau brutal ermordet? Ist das Motiv privater Natur? Oder ist sie mit ihren Bauplänen jemanden in die Quere gekommen?
Dóra Gudmundsdóttir ist Rechtsanwältin und hat die Neigung, eigene Ermittlungen anzustellen. So stolpert sie diesmal mitten in diesen Fall rein. Unüberlegt nimmt sie sich des Falls ihres Kunden - des Hotelbesitzers - an, und hat es von einem Moment auf den anderen mit Mord zutun.
Diese Vorgehensweise ist bei dieser Reihe absolut im Rahmen. Denn man hat nie das Gefühl, dass sie sich der Polizei überlegen fühlt. Dóra verfolgt lediglich Spuren, die der Polizei nicht bewusst sind, und geht dabei der Geschichte der Insel auf den Grund.
Allerdings spielt Dóras Privatleben maßvoll ins Geschehen rein. Einerseits sind da ihr Ex-Mann und die Kinder, die nach Aufmerksamkeit schreien, ihre anstehende Oma-Rolle, weil sich ihr Sohn in seinen Teenie-Jahren fortzupflanzen gedenkt, und natürlich ist Dóra selbst eine Frau, die mit dem Deutschen Matthias ein Techtelmechtel laufen hat.
Die amouröse Spannung zwischen Dóra und Matthias gibt dem Krimi auf zweierlei Weise Schwung. Auf der einen Seite wird Matthias Part des Ermittlerteams, andrerseits lockern private Situationen die Handlung auf. Zudem werden anhand der unterschiedlichen Nationalitäten isländische und deutsche Kultur einander gegenübergestellt, was meiner Meinung nach sehr interessant zu hören ist. Insgesamt verschwindet mir Matthias’ Charakter allerdings zu sehr im Gesamtgeschehen. Ich fände es schon interessant, mehr über den Deutschen mit einer Schwäche für Isländerinnen zu erfahren.
Alles in allem rundet Dóras Leben mit Kindern und der aufkommenden Liebschaft den Fall und die Handlung wunderbar ab. Obwohl manche Situationen ungewöhnlich sind, werden sie maßvoll und als ansprechender Rahmen eingesetzt.
Dóra als Charakter ist geradlinig und mit beiden Beinen am Boden verankert. Sie versucht ihre Schwächen zu überwinden, ihre Stärken setzt sie gekonnt ein, und gibt sich keinerlei träumerischen Illusionen hin.
Der Fall geht über mehrere Ecken und wird als solider Krimi aufgezogen. Dabei geht Sigurdardóttir gekonnt das Farbenspiel der Mordmotive und Verdächtigungen an. Sie stellt abwechselnd mögliche Täter in den Vordergrund und schafft es, Erwartungen zu übertrumpfen. Zusätzlich arbeitet sie isländische Geschichte heraus, was dem Roman neben der Handlung eine weitere interessante Note verleiht. Das Spannungsniveau ist krimimäßig gleichförmig, und regt in erster Linie zum Rätseln an.
Bestechend ist das Island-Setting, indem man sich durch Land und Leute bewegt. Konfrontiert mit einer faszinierenden Umgebung und einer ungewohnten Gesellschaftsstruktur, wird man mitten auf Island ausgesetzt. Hierzu zählen eben historische Fakten, die Sprache, der Umgang miteinander aber auch die Natur und die isländische Sagenwelt.
Unterm Strich handelt es sich um einen befriedigenden Krimi, der ein Ratespiel mit atmosphärischen Island-Faktor ist.